Im Brandfall weiterfahren!

Hinweisschild für einen barrierefreien Rettungsaufzug

Aufzüge - Weiterbetrieb im Brandfall

Fachbeitrag von Dipl.-Ing. Brandinspektor Maynhard Schwarz (der bauschaden, Fachzeitschrift zur Beurteilung, Sanierung und Vermeidung von Bauschäden, Forum Verlag, Ausgabe Dezember 2019/Januar 2020)

Leseprobe

Selbstrettung ist der beste Brandschutz für alle Menschen

Die Bereitstellung sogenannter "sicherer Bereiche" für den Zwischenaufenthalt von nicht zur Eigenrettung fähigen Personen widerspricht der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der Barrierefreiheit ("ohne fremde Hilfe nutzbar").

Der Gebäudebetreiber ist dafür verantwortlich, jederzeit eine Räumung zu gewährleisten. Die Fremdrettung von Menschen, die Treppen nicht gehen können, liegt ebenfalls in seiner Verantwortung und kann nicht durch Feuerwehr und Rettungsdienst übernommen werden. Es ist die gleiche Betriebssicherheit der Rettungswege und die gleiche Rettungszeit ins ebenerdige Freie für alle Gebäudenutzer zu planen.

Eine Lösung dazu bietet beispielsweise die VDI 6017 Aufzüge - Steuerungen für den Brandfall. Sie zeigt Planern, Errichtern, Betreibern, Sicherheitsorganisationen und zuständigen Behörden, welche Brandereignisse unkritisch sind und unter welchen Voraussetzungen Aufzüge trotz einer ersten Brandmeldung weiter betrieben werden können. Die Richtlinie enthält für diese Verlängerung der Betriebszeiten von Aufzügen schon seit ihrem ersten Weißdruck (vom November 2008) unverändert verschiedene Stufen.

Standardaufzug

Die Stufe A definiert Aufzüge, bei denen die Betriebszeit im Brandfall innerhalb des Gebäudeabschnitts nicht verlängert werden kann. Sofern eine Brandmeldung an den Aufzug erfolgt, wird er durch eine Brandfallsteuerung in eine Bestimmungshaltestelle gesendet und dort stillgesetzt. Die Bezeichnung Evakuierungsfahrt für diese letzte Fahrt zur Stilllegung ist falsch und missverständlich. Diese Fahrt wird in der Regel leer erfolgen. Im Brandfall in einem anderen Gebäudeabschnitt könnte dieser Aufzug jedoch als Sicherheitsaufzug weiter betrieben werden, sofern er entsprechend geplant und errichtet wurde.

Sicherheitsaufzug

Stufe B beschreibt einen begrenzten Weiterbetrieb bei unkritischen Brandereignissen als Sicherheitsaufzug. Die Anforderungen sind Gegenstand der VDI 6017. Entsprechende Aufzüge sind so zu konstruieren und zu betreiben, dass übliche Gefahrenquellen (wie z. B. Stromausfall oder Verrauchung des Schachts) technisch ausgeschlossen werden können. Sicherheitsaufzüge ermöglichen damit eine selbstständige Rettung mobilitätseingeschränkter Personen. Sie sind im Wesentlichen Standardaufzüge, bei denen der Funktionserhalt im Brandfall durch einfache Maßnahmen gewährleistet wird. Dazu gehören:

  • Abzweig der Stromzufuhr zur Aufzugsmaschine vor dem Hauptschalter des Gebäudes und brandgeschützte Ausführung dieser Zuleitung ("Sprinklerpumpenschaltung")
  • rauchgeschützte Wartezonen vor den Aufzugstüren
  • Schutz vor Löschwasser

Die Voraussetzungen für den zeitlich begrenzten Weiterbetrieb des Sicherheitsaufzugs entsprechend dem Brandverlauf sind:

  • Es ist eine flächendeckende Brandmeldeanlage mit Aufschaltung vorhanden, bei der das kritische Brandereignis definiert ist.
  • Die Vorräume des Aufzugs sind feuerhemmend mit Rauchschutztüren ausgeführt.
  • Beim kritischen Brandereignis (Rauch im Aufzugsvorraum) erfolgt eine Abschaltung, mit Nutzerinformation in den Geschossen.

Evakuierungsaufzug

Die Stufe C beschreibt weiterführend ein Konzept, mit dem Gebäude mittels Aufzugs evakuiert werden können. Die Anforderungen an Evakuierungsaufzüge sind nicht Gegenstand der VDI 6017, sondern zukünftig in der DIN EN 81-76 (Sicherheitsregeln für Konstruktion und Einbau von Aufzügen – Besondere Anwendungen für Personen- und Lastenaufzüge – Teil 76: Personenaufzüge für die Evakuierung von Personen mit Behinderungen) zu finden. Die Vornorm der DIN CEN/TS 81-76 (Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen) Evakuierung von Personen mit Behinderung (vom Oktober 2011) stellt spezielle Anforderungen an den Aufzug selbst und hat folgende Einschränkung: "Diese Technische Spezifikation ist nicht für alle Arten von Gebäuden, wie Gebäude ohne eine Person, die sich um das Gebäude und seine Evakuierung kümmert, die nicht in dem Gebäude ansässig ist, oder Wohnhäuser mit mehreren Bewohnern, die sich gemeinsame Rettungswege teilen und keine Verantwortlichen im Gebäude haben, geeignet. Diese Fälle erfordern andere Lösungen als die in diesem Dokument beschriebenen." Diese Norm ist in vielen Fällen (wie Wohnhäusern) nicht anwendbar, weil speziell ausgebildete Evakuierungshelfer eine wesentliche Rolle spielen. Ohne diese jederzeit und sofort zur Verfügung stehenden Evakuierungshelfer ist dieses europäische Konzept der unterstützten Evakuierung nicht umsetzbar.

Feuerwehraufzug

Die Stufe D beschreibt schließlich ein Konzept, in dem Aufzüge für den Einsatz der Feuerwehr genutzt werden. Feuerwehraufzüge sind in der DIN EN 81-72 Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen – Besondere Anwendungen für Personen und Lastenaufzüge – Teil 72: Feuerwehraufzüge beschrieben (und ebenfalls nicht Gegenstand VDI 6017). Einer Nutzung zur Selbstrettung nach Branddetektion wird in Deutschland nicht zugestimmt. Zukünftig wird sich der Oberbegriff "Rettungsaufzug" für alle Aufzüge einbürgern, die einen gleichwertigen Rettungsweg für die Barrierefreiheit herstellen. Dabei ist es dann unwesentlich, ob es sich um einen Sicherheits-, Evakuierungsoder um andere Aufzugsarten handelt, beispielsweise im Freien verlaufende.

Den ausführlichen Fachbeitrag finden Sie auf www.nullbarriere.de/rettungsaufzug.htm