Barrierefreie Treppen in Arbeitsstätten
Barrierefrei gestaltete Treppen in Arbeitsstätten ermöglichen Beschäftigten mit und ohne Behinderung eine sichere Nutzung. So werden Arbeitsunfälle reduziert und eine "inklusive Arbeitswelt" befördert.
Was Architekten, Planer und Arbeitgeber berücksichtigen müssen.
Allgemeine Anforderungen an Treppen in Arbeitsstätten
Laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ist ein wesentlicher Teil der angezeigten Arbeitsunfälle in Deutschland auf eine nicht ordnungsgemäße Beschaffenheit, Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten zurückzuführen. Das betrifft auch Stürze auf Treppen.
Um Beschäftigte vor Arbeitsunfällen zu schützen, gibt es die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Deren Schutzziele werden durch die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) in der betrieblichen Praxis umgesetzt (siehe Zusatzinfo).
Die konkreten Anforderungen an das Einrichten und Betreiben von Treppen in Arbeitsstätten regelt die "ASR A1.8 Verkehrswege". Der Begriff "Treppe" ist darin definiert als ein "fest mit dem Bauwerk verbundenes, unbewegbares Bauteil, das mindestens aus einem Treppenlauf besteht". Treppen sind so zu gestalten, dass diese sicher und leicht begangen werden können. Das wird erreicht durch ausreichend große, ebene, rutschhemmende, erkennbare und tragfähige Auftrittsflächen in gleichmäßigen, mit dem Schrittmaß übereinstimmenden Abständen.
Soweit das Bauordnungsrecht der Länder einen Handlauf nicht schon bei geringerer Stufenzahl fordert, müssen Treppen mit mehr als 4 Stufen in bestehenden Arbeitsstätten mindestens einen Handlauf haben.
Die Treppe muss so gestaltet sein, dass sie "sicher und leicht" begangen werden kann. Grundsätzlich legen die ASR für Treppen in Arbeitsgebäuden keine gegensätzlichen Forderungen zur DIN 18065 "Gebäudetreppen - Begriffe, Messregeln, Hauptmaße" fest, sondern ergänzen diese um folgende Forderungen:
- In Arbeitsstätten darf die Steigung(s) zwischen 14 bis 19 cm, der Auftritt(a) zwischen 26 bis 32 cm und der Steigungswinkel zwischen 24° bis 36° variieren, bei Hilfstreppen bis 45°. Als besonders sicher begehbar haben sich Treppen erwiesen, deren Stufen einen Auftritt von 29 cm und eine Steigung von 17 cm aufweisen.
- Die Höhe der Geländer muss lotrecht über der Stufenvorderkante mindestens 1,00 m betragen (ASR A1.8, Punkt 4.5 Abs. 7). Bei Absturzhöhen von mehr als 12 m muss die Geländerhöhe mindestens 1,10 m betragen (siehe ASR A2.1.
- Die Radien der Stufenvorderkanten sollen zwischen 2 und 10 mm liegen, um die Gefahr des Abrutschens oder Hängenbleibens zu verhindern (ASR A1.8, Punkt 4.5 Abs. 12).
- Als Fluchtwege gelten nur Treppen mit geraden Läufen (ASR A1.8, Punkt 4.5 Abs. 3).
- Treppen müssen an beiden Seiten Handläufe haben, wenn die Stufenbreite mehr als 1,5 m beträgt. Zwischenhandläufe wenn sie mehr als 4,0m beträgt. (ASR A1.8, Punkt 4.5 Abs. 10).
- Die Beleuchtung der Treppenräume muss einen Mindestwert von 100 lx betragen (ASR A3.4, Anhang 1).
Hinweise zur barrierefreien Gestaltung von Treppen in Arbeitsstätten
Treppen und Barrierefreiheit – das scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein. Doch mit bestimmten Eigenschaften sind Treppen für Menschen mit begrenzten motorischen Einschränkungen sowie für blinde und sehbehinderte Menschen barrierefrei nutzbar. Vereinzelte Hinweise zur barrierefreien Gestaltung von Treppen in Arbeitsstätten sind in der ASR V3a.2 "Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten" aufgeführt, z.B. wenn es um taktil erkennbare Bodenmarkierungen bei unterlaufbaren Treppen für blinde Beschäftigte geht (Anhang A1.3, Abs. 5).
Bei der Gestaltung barrierefreier Treppen in Arbeitsstätten sollten Architekten und Planer auf die DIN 18040-1 "Öffentliche zugängliche Gebäude" zurückgreifen. Dort sind konkrete Anforderungen an die Laufgestaltung und Stufenausbildung, Handläufe sowie Orientierungshilfen an Treppen und Einzelstufen aufgeführt.
Im Folgenden werden einige Hinweise zur barrierefreien Gestaltung von Treppen in Arbeitsstätten aufgezeigt, die mit der DIN 18040-1 und der ASR A1.8 übereinstimmen.
Laufgestaltung und Stufenausbildung
Treppen müssen gerade Läufe haben und über ausreichend große, ebene, rutschhemmende, erkennbare und tragfähige Auftrittsflächen verfügen. Die Steigungen und Auftritte einer Treppe, die zwei Geschosse verbindet, dürfen laut ASR A1.8 nicht voneinander abweichen. Als besonders sicher begehbar haben sich Treppen erwiesen, deren Stufen einen Auftritt von 29 cm und eine Steigung von 17 cm aufweisen.
Die Treppenstufen sind kontrastreich zu gestalten und ohne störende Blendung des Benutzers ausgeleuchtet. Bei Treppenläufen mit einem Steigungswinkel bis 36° muss nach höchstens 18 Trittstufen ein Zwischenpodest vorhanden sein.
Zur Vermeidung des Abrutschens von Gehhilfen an freien seitlichen Stufenenden eignet sich eine Aufkantung. Offene Setzstufen oder unterschnittene Trittstufen sind laut DIN 18040-1 unzulässig, schräge Setzstufen bis 2 cm Unterschneidung sind möglich. Trittstufen dürfen über die Setzstufen nicht vorkragen.
Barrierefreie Handläufe
Treppen haben auf beiden Seiten Handläufe. Die ASR A1.8 fordert an beiden Seiten Handläufe, wenn die Stufenbreite mehr als 1,5 m beträgt. Bei mehr als 4 m sind Zwischenhandläufe notwendig, mit denen die Stufenbreite in zwei gleiche Breitenabschnitte unterteilt wird.
Was die Höhe der Handläufe angeht, unterscheidet sich die DIN von der ASR: laut DIN müssen sie in einer Höhe von 85 cm bis 90 cm zur Stufenvorderkante angebracht werden; bei der ASR beträgt die Höhe zwischen 80 cm bis 115 cm. An Treppenaugen und Zwischenpodesten dürfen sie nicht unterbrochen werden.
Die Handläufe ragen mindestens 30 cm waagerecht über den Anfang und das Ende der Treppe hinaus und heben sich visuell kontrastierend vom Hintergrund ab. Durch einen runden oder ovalen Querschnitt des Handlaufs und einem Durchmesser von 2,5 cm bis 6 cm ist er griffsicher und gut umgreifbar (die DIN 18040-1 fordert 3 cm - 4,5 cm). Die Enden von Handläufen sind so gestaltet, dass Beschäftigte nicht an ihnen hängen bleiben können, z. B. gekröpft, nach unten oder zu einer Wandseite.
Taktile Informationen in Form von Handlaufbeschilderungen dienen der Orientierung für sehbehinderte und blinde Beschäftigte. Sie sind am Anfang und am Ende von Treppenläufen anzubringen.
Für kleinwüchsige Beschäftigte sind zusätzliche Handläufe in einer Höhe von 0,65m vorzusehen.
Orientierungshilfen an Treppen und Einzelstufen
Die Elemente der Treppe müssen auch für Sehbehinderte leicht erkennbar sein. und sich visuell kontrastierend vom Hintergrund abheben. Hier spielen vor allem die Stufenmarkierungen eine wichtige Rolle. Sie müssen aus einem durchgehenden Streifen bestehen und sich visuell kontrastierend sowohl gegenüber Trittstufe und Setzstufe, als auch gegenüber den jeweils unten anschließenden Podesten abheben.
Stufenvorderkantenmarkierungen an jeder Stufe sind laut DIN 18040-1 Pflicht bei Treppen mit bis zu drei Einzelstufen und bei Treppen, die frei im Raum beginnen oder enden. In Treppenhäusern müssen nur die erste und die letzte Stufe markiert werden. Bewährt haben sich hierbei eingelassene Stufenvorderkantenmarkierungen. Aufgesetzte (geklebte) Markierungen sind nicht zu empfehlen.
Um die Sturzgefahr für blinde Menschen an Treppen zu minimieren, sollten diese mit Aufmerksamkeitsfeldern ausgestattet sein, die mindestens 60 cm tief und so breit wie die Treppe sein sollten. Ein solches Feld sollte am Austritt direkt hinter der obersten Trittstufe sowie am Antritt direkt vor der untersten Setzstufe angeordnet werden. Hierbei ist zu beachten, dass der Leuchtdichtekontrast zwischen diesen Feldern und dem Stufenbelag zu vermeiden ist, um die Stufenvorderkantenmarkierung visuell hervorzuheben.
Für blinde Beschäftigte muss gewährleistet sein, dass Treppen unterhalb einer lichten Höhe von 2,10m nicht unterlaufen werden können. Dies kann erreicht werden z.B. mit Umwehrungen, Brüstungen, Pflanzkübeln oder durch Möblierung.
Warum barrierefreie Arbeitsstätten?
Eine barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten ist unerlässlich, wenn das Vorhaben "inklusive Gesellschaft" realisiert werden soll. Bereits im Jahr 2009 hat Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung unterzeichnet. Darin ist u.a. das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit "in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld" festgeschrieben (Behindertenrechtskonvention, Art. 27).
Private und öffentliche Arbeitgeber mit mehr als 20 Angestellten sind gesetzlich verpflichtet, mindestens 5 % der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Arbeitnehmern zu besetzen (§ 71 SGB IX). Wer dieser Verpflichtung nicht nachkommt, muss eine sogenannte "Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe" zahlen. Aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe werden die Leistungen der Integrationsämter und der Agenturen für Arbeit für die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen finanziert.
Arbeitgeber können bei den Integrationsämtern Zuschüsse und Darlehen erhalten für eine behinderungsgerechte Einrichtung von neuen oder vorhandenen Arbeitsplätzen. Gefördert werden alle Arbeitsmittel, die für die behinderungsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes notwendig sind, wie z.B. Computersysteme für blinde und sehbehinderte Menschen, spezielle Bürostühle und Tische und Hebewerkzeuge.
Die Förderung kann über den einzelnen Arbeitsplatz hinausgehen und zum Beispiel die behinderungsgerechte Gestaltung von Zugängen, Toiletten und Sozialräumen miteinschließen.
Unternehmen mit mehrheitlich kommunalem Gesellschafterhintergrund, gemeinnützige Organisationen sowie sämtliche Unternehmen, die sich in einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) befinden, können Fördermittel aus dem KfW-Programm 234 "Barrierearme Stadt" für Maßnahmen zur Reduzierung oder Beseitigung von Barrieren beantragen. Hier werden u.a. die barrierefreie Gestaltung der Gebäudezugänge und die vertikale Erschließung gefördert.